Die häufigsten Fehler in der Behandlung von CMD – und warum ganzheitliches Denken entscheidend ist
Die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) ist eine komplexe Funktionsstörung, die weit mehr betrifft als nur den Kiefer: Schmerzen im Kiefergelenk, Gesicht, Kopf, Nacken, Tinnitus oder Schwindel können die Folge sein. Umso wichtiger ist eine fundierte und individuelle Behandlung. Doch leider passieren in der Praxis immer wieder Fehler, die nicht nur die Beschwerden verschlimmern, sondern in manchen Fällen sogar neue Probleme schaffen.
In diesem Beitrag beleuchten wir die häufigsten Behandlungsfehler bei CMD – und zeigen, wie man es besser machen kann.
1. CMD auf die Psyche zu reduzieren – ein gefährlicher Kurzschluss
Ja, psychische Belastung spielt bei CMD häufig eine Rolle. Stress, Anspannung, emotionale Konflikte – all das kann sich in Form von Zähneknirschen oder Kieferpressen äußern. Doch: CMD ist kein rein psychosomatisches Problem.
🔴 Fehler: Der Patient wird vorschnell zur Psychotherapie geschickt, ohne funktionelle oder strukturelle Ursachen zu analysieren.
✅ Besser: Die Psyche darf Teil des Konzepts sein, aber nicht als alleinige Ursache gesehen werden. Eine funktionelle Untersuchung des Kausystems ist unabdingbar.
2. Die Kieferstellung zu ignorieren
CMD ist in vielen Fällen eine Folge fehlfunktionierender Kiefergelenke oder eines falschen Bisses (Okklusion). Werden diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt, ist eine gezielte Behandlung kaum möglich.
🔴 Fehler: Es wird keine instrumentelle Funktionsanalyse gemacht, keine Kiefervermessung, keine Lagebeurteilung des Kiefergelenks im Schädel.
✅ Besser: Vermessung der Kiefergelenksposition (z. B. mit Gesichtsbogen, MRT bei Verdacht auf Verlagerung), Bissregistrat, Test der zentrischen Relation.
3. Schienen falsch gestalten – besonders häufig bei Michiganschienen
Michiganschienen sind beliebt – doch ihre fehlerhafte Anwendung kann das Kiefergelenk noch stärker schädigen.
🔴 Fehler: Die Schiene hebt den Biss nicht achsgerecht an, sondern drückt das Gelenk tiefer in die Gelenkgrube (Kompression). Dies führt zu Schmerzen, Reizzuständen und Entzündungen.
✅ Besser: Schienen sollten gelenkentlastend, muskelrelaxierend und achsengerecht konstruiert sein. Die Gelenkposition muss in der zentrischen Relation sein – nicht in einer manipulierten Bisslage.
4. Nur Front- und Eckzahnführung – funktionell oft unzureichend
Eine reine Front- und Eckzahnführung sieht auf dem Papier gut aus, entspricht aber oft nicht den funktionellen Anforderungen des individuellen Patienten.
🔴 Fehler: Schienen bieten keine stabile Stützzonenführung in der Seitenzahnregion, was zur Überlastung einzelner Strukturen führt.
✅ Besser: Eine flächige, balancierte Führung mit gleichmäßiger Verteilung der Kräfte in allen Bewegungsrichtungen ist entscheidend.
5. Keine Nachjustierung der Schienen
Auch perfekt gefertigte Schienen müssen regelmäßig kontrolliert und angepasst werden. Die Muskulatur verändert sich, Bissverhältnisse können sich verschieben.
🔴 Fehler: Patienten tragen monatelang die gleiche Schiene – ohne Nachkontrolle oder Justierung.
✅ Besser: Regelmäßige Kontrolltermine, ggf. Neujustierung der Okklusion, Anpassung an Muskelveränderungen.
6. Die Schienendicke nicht differenziert ermitteln
Die Dicke der Schiene entscheidet über Muskelentspannung oder -anspannung. Ein „One-Size-Fits-All“-Ansatz ist hier fehl am Platz.
🔴 Fehler: Schienen werden standardisiert mit 2 mm Dicke gefertigt – ohne Funktionsanalyse oder muskuläre Rückmeldung.
✅ Besser: Die optimale Dicke muss individuell ermittelt werden – z. B. über manuelle Entspannungstests, myozentrische Bestimmung oder TENS.
7. Ganzkörperstatik ignorieren
CMD ist häufig auch Ausdruck von Problemen weiter unten im Körper, etwa im Becken, in der Wirbelsäule oder im Gangbild.
🔴 Fehler: Der Patient wird nur intraoral behandelt – ohne Blick auf Haltung, Skoliose oder Beckenschiefstand.
✅ Besser: Integration von Physiotherapie, Osteopathie oder Posturologie in die Behandlung. Der Biss beeinflusst die Körperstatik – und umgekehrt.
8. Keine interdisziplinäre Zusammenarbeit
CMD ist ein typisches Beispiel für ein interdisziplinäres Krankheitsbild. Wer allein behandelt, riskiert, wichtige Aspekte zu übersehen.
🔴 Fehler: Isolierte zahnärztliche Behandlung ohne Kommunikation mit anderen Fachrichtungen.
✅ Besser: Zusammenarbeit mit HNO, Orthopädie, Physiotherapie, Psychotherapie, Osteopathie und Neurologie – je nach Symptomlage.
Fazit: CMD richtig behandeln heißt – individuell, funktionell und ganzheitlich
CMD ist kein einfaches „Zähneknirschen“. Es ist eine komplexe funktionelle Störung, die ein sorgfältiges, ganzheitliches Vorgehen erfordert. Schienen können helfen – aber nur, wenn sie funktionell korrekt angepasst, regelmäßig kontrolliert und in ein ganzheitliches Therapiekonzept eingebunden sind.
Fehler vermeiden bedeutet: besser behandeln – und langfristig helfen.
Tipp für Betroffene:
Wenn Sie bereits eine Schiene tragen und keine Besserung spüren oder sich Ihre Beschwerden sogar verschlechtern, holen Sie sich eine zweite Meinung bei einem spezialisierten CMD-Therapeuten. Die Ursache könnte in einer fehlerhaften Konstruktion oder unzureichenden Diagnostik liegen.