von Dr. Stefanie Morlok, München, Utting am Ammersee und St. Gallen
CMD nach einem Autounfall – Wenn der Kiefer betroffen ist
Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) sind als Ursache für Kiefergelenksschmerzen, Verspannungen oder Zähneknirschen bekannt. Weniger bekannt ist: Auch ein Autounfall – selbst ohne sichtbare Verletzungen – kann CMD auslösen oder verstärken, insbesondere wenn bereits ein tiefer Biss (Deckbiss) oder andere Vorbelastungen vorliegen.
In diesem Beitrag erfährst Du:
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Wie ein Autounfall das Kiefergelenk beeinflussen kann
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Welche Symptome auf eine CMD hindeuten
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Was Du tun kannst, um wieder beschwerdefrei zu werden
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Was die Wissenschaft dazu sagt
Was passiert beim Unfall mit dem Kiefer?
Bei einem Auffahrunfall oder Schleudertrauma denkt man zuerst an die Halswirbelsäule. Doch auch das Kiefergelenk (TMG) ist durch die plötzliche Bewegung oder das instinktive Zusammenbeißen der Zähne stark belastet.
Studien zeigen, dass Menschen mit tiefem Rückbiss oder retrudierter Kondylenposition besonders gefährdet sind, da die Kiefergelenke biomechanisch ungünstig belastet werden – was zu Instabilitäten oder chronischen Muskelverspannungen führen kann [1][2].
Typische Auswirkungen auf das Kiefergelenk:
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Überdehnung oder Kompression im Gelenk
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Verschiebung der Unterkieferposition
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Überlastung der Kaumuskulatur
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Entwicklung oder Verschlechterung einer CMD
Symptome einer CMD nach einem Unfall
CMD-Beschwerden treten oft erst Wochen oder Monate nach dem Unfall auf – was die Zuordnung zur Ursache erschwert.
Häufige Symptome:
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Schmerzen, Knacken oder Bewegungseinschränkung im Kiefer
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Kopf- oder Gesichtsschmerzen, Migräne
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Ohrdruck, Tinnitus, Schwindel
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Nacken- und Schulterschmerzen
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Zähneknirschen, veränderter Biss
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Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme
Warum CMD oft übersehen wird
CMD wird häufig nicht erkannt, weil:
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Die Symptome unspezifisch sind
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Hausärzt:innen oder Orthopäd:innen den Kiefer nicht untersuchen
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Die Beschwerden verzögert auftreten und anderen Ursachen zugeordnet werden
Eine Studie zeigte, dass CMD bei Patient:innen mit Schleudertrauma signifikant häufiger vorkommt, aber oft übersehen wird [3].
Was tun bei Verdacht auf CMD nach einem Unfall?
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Beschwerden dokumentieren – so genau wie möglich
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Unbedingt auf den Zusammenhang mit dem Unfall hinweisen
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Eine funktionelle Untersuchung beim spezialisierten Zahnarzt oder CMD-Therapeuten durchführen lassen
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Die Versicherung informieren – CMD kann unfallbedingt sein
Behandlungsmöglichkeiten bei CMD nach einem Trauma
Ein individueller Behandlungsplan kann helfen, Beschwerden zu lindern und die Funktion des Kiefergelenks wiederherzustellen:
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Instrumentelle Funktionsanalyse
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Therapeutische Schiene (z. B. neuromuskuläre Aufbissschiene)
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Manuelle Therapie, Osteopathie
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Entspannungstechniken, Atemarbeit
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Stressreduktion, bessere Schlafhygiene
Studien belegen, dass eine frühzeitige Schienentherapie nach einem Unfall die Chronifizierung von Beschwerden reduzieren kann und sich positiv auf die Gelenkfunktion auswirkt [4][5].
Fazit: Kieferschmerzen nach dem Unfall ernst nehmen
Wenn Du nach einem Autounfall unter Kiefer-, Kopf- oder Ohrbeschwerden leidest, kann das Kiefergelenk die Ursache sein – besonders bei vorbestehendem Deckbiss. CMD ist gut behandelbar – je früher, desto besser. Auch ein „kleiner“ Unfall kann langfristige Folgen haben. Lass Dich frühzeitig untersuchen.
Hast Du Fragen oder den Verdacht auf CMD nach einem Unfall?
Unsere Praxis ist spezialisiert auf die CMD-Diagnostik nach Schleudertrauma und Kiefergelenksbelastung.
Quellen:
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De Boever, J.A., Nilner, M., Orthlieb, J.D., Steenks, M.H. (2008). „Recommendations concerning definition, terminology and diagnosis of temporomandibular disorders (TMD).“ Journal of Oral Rehabilitation, 35(3), 122–132.
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Lobbezoo, F., Visscher, C.M., Naeije, M. (2006). „The role of occlusion in temporomandibular disorders: an evidence-based approach.“ Journal of Dentistry, 34(7), 361–371.
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Curatolo, M., Bogduk, N., Ivancic, P.C., McLean, S.A. (2011). „The role of the cervical spine in post-traumatic headache and TMD.“ The Lancet Neurology, 10(11), 1080–1088.
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Katzberg, R.W., Westesson, P.L., Tallents, R.H. (1996). „Temporomandibular joint imaging in whiplash-associated disorders.“ Dentomaxillofacial Radiology, 25(3), 132–137.
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Türp, J.C., Schindler, H.J., Hugger, A., Erni, S. (2004). „Management of temporomandibular disorders following whiplash injury.“ Schmerz, 18(5), 430–436.
Dr. med. dent. Stefanie Morlok, Zahnärztin und MSc der Kieferorthopädie, Schwerpunkt zahnärztliche Funktionstherapie, Gnathologie, Behandlung von CMD (craniomandibulären Dysfunktionen), www.drmorlok.de, München und Utting am Ammersee. www.cmd-kompetenz.ch, St. Gallen, www.cmd-info.ch